New Work
Mein Interview für Sigel
Hon. Prof. Meike Regina Weber ist Architektin und Kulturmanagerin. Sie lehrt an der Fakultät Gestaltung der HAWK Hildesheim und weiteren Hochschulen Methoden der Zukunftsforschung in der Gestaltung und Projektmanagement. Als Selbständige berät sie zu Zukunftsfragen in Architektur und Gestaltung und baut aktuell gleichzeitig den Bereich Wissensmanagement für das Baureferat der Landeshauptstadt München auf. Im SIGEL Interview haben wir Sie gefragt, welche Einflüsse aktuelle Themen wie Digitalisierung oder Corona-Pandemie auf die Ausgestaltung unserer Arbeitswelt nehmen. mehr lesen Kann man in der Architektur für Arbeitsräume schon Trends erkennen, die von den großen Herausforderungen (Klimawandel, Digitalisierung, Pandemie) hervorgerufen wurden? Räume sind immer ein Spiegel ihrer Zeit und so ist Architektur als Kulturtechnik auch stets abhängig von den Aprioris ihrer Zeit. Aber man muss auch differenzieren zwischen kurzfristigen und langfristigen Entwicklungen. So sind Klimawandel und Digitalisierung klassische Megatrends. Pandemien sind das Gegenteil, als sogenannte „Wildcards“ führen sie eher zu Brüchen bekannter Entwicklungslinien. So hat die Digitalisierung zu einer fundamentalen Veränderung unserer Arbeitsweisen und unserer Wirtschaftsstruktur geführt, aber insbesondere unserer Gesellschaft im Sinne einer Demokratisierung von Kommunikation und Zugang. Digitalisierung fordert Offenheit und Transparenz. Digitalisierung bedeutet eine kulturelle Transformation. Sie bildet die Voraussetzung für neue Formen der Arbeit und stellt zugleich neue Anforderungen an den Raum wie Akustik und Flexibilität. Der Klimawandel fordert eine deutlich ganzheitlichere Betrachtung, die über Arbeitsräume weit hinaus geht: Von Kreislaufwirtschaft bis zu neuen Mobilitätskonzepten. Es geht nicht mehr nur um Energieeffizienz, sondern um nachhaltige Materialien, um Langlebigkeit und Robustheit. Schon vor der aktuellen Pandemie hatten wir es mit einer Parallelität unterschiedlicher Arbeitsformen zu tun: Vom Zellenbüro über Open Space bis hin zu Third Spaces. Wobei die Passung zum Unternehmen entscheidend ist. Die Komplexität der heutigen Zeit erfordert mehr kollaboratives Arbeiten und damit Coworking und Third Spaces. Die Pandemie beförderte Homeoffice und die Bedeutung des öffentlichen Raumes als Arbeitsort. Diese Dezentralisierung wird sich auch künftig weiter fortsetzen. Was muss ein Büro bieten, damit sich Mitarbeiter wohlfühlen? Kann ein besseres Büro helfen, Fachkräfte zu finden und sie zur Unterschrift zu bewegen? Das Arbeitsumfeld beeinflusst nachhaltig unser Wohlbefinden. Es geht um alle Sinne, um Gesundheit. Und es geht darum, ein individualisiertes Arbeitsumfeld zu bieten. Aber es ist nur ein Teil von Unternehmenskultur und Identität. Employer-Branding bedeutet heute Qualität und Authentizität, die Passung des Bürokonzepts zur Unternehmenskultur. Es geht darum, Transparenz und Offenheit zu vermitteln. Es geht um die Wertschätzung des Individuums im Sinne seiner Selbstbestimmung und seiner Sehnsucht nach Resonanz. Es geht um Flexibilität und Individualisierung und insbesondere um ein Erkennen und Anpassen an die differenzierten Wertvorstellungen der Mitarbeiter. Die größte Herausforderung liegt dabei wohl darin, einerseits die Passung zur Unternehmensidentität zu schaffen und gleichzeitig den Wertvorstellungen paralleler Generationen und Kulturen zu entsprechen. Es geht um den Mitarbeiter als Mensch und Individuum. Es geht darum, ihm die räumlichen Situationen zu bieten, flexible Orte zu ermöglichen. Es geht um Dezentralisierung bis Fullservice-Angebote. Hat die Pandemie für mehr New Work gesorgt? Nachhaltig? Welche Probleme traten dabei auf? Pandemien gelten im allgemeinen als Brüche bekannter Entwicklungslinien. An anderer Stelle können sie aber auch zum Beschleuniger werden. Dies konnten wir am Digitalisierungsschub, Homeoffice-Lösungen und Third Spaces im öffentlichen Raum miterleben. Individuelles Arbeiten ist heute überall möglich. Das Büro wird zum Ort für Kommunikation und Kollaboration. Zoom- oder Webex-Meetings können das nicht leisten, hier geht viel Zwischenmenschliches verloren, was sich in der Sehnsucht nach Resonanz und einer neuen Wir-Kultur widerspiegelt. Zugleich konnten wir aber auch viele Probleme feststellen, die Entwicklungschancen für die Zukunft bieten. So kam die Infrastruktur nicht nur in strukturschwachen Regionen an ihre Grenzen. Schonte Homeoffice zugleich Stadtklima und Mobilitätsprobleme, stehen Unternehmen heute vor der Problematik, die Mitarbeiter wieder zurück ins Büro zu bekommen. Mit wachsender Dezentralisierung werden klassische Bürostandorte zum Potential für Konversion und Urban Mining. Wohnungsgrundrisse müssen sich verändern um eine Balance zwischen Leben und Arbeiten, zwischen Analog und Digital zu erreichen. Dies bietet aber auch Chancen für Unternehmen wie SIGEL ihr Produktportfolio dahin gehend auszuweiten. Was würden Sie Unternehmen empfehlen, um die Pandemie zu überstehen? Dies ist eine große Frage, zu der es nicht den einen Rat geben kann. Und es ist sicherlich auch davon abhängig, ob wir uns im Bereich der Konsum- oder Investitionsgüter befinden. Die Antwort auf eine solch komplexe Frage ist auch nicht innerhalb eines Unternehmens oder einer Fachdisziplin zu beantworten. Somit ist der einzige Rat an dieser Stelle: Offenheit. Offenheit gegenüber neuen Strukturen, gegenüber neuen Formen der Zusammenarbeit, neuen Produkten und neuen Geschäftsmodellen. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe „Gesundheit für Mensch und Umwelt“ wurde lange vor der aktuellen Pandemie formuliert, doch erst selbige ließ uns erkennen, wie eng Gesundheit, Klima, Wirtschaft und Politik zusammenhängen. Es wird darum gehen, Zukunftsszenarien als Möglichkeitsräume lesen zu lernen. Mit Offenheit und Flexibilität den Menschen und die Gesellschaft in den Mittelpunkt neuer Produkte und Geschäftsmodelle zu stellen und in Gesamtsystemen zu denken. Es geht aber auch darum, sich auf seine eigenen Werte und Identität zu besinnen. Denn Innovationen sind auch evolutionär möglich und Zukunft braucht auch Herkunft. weniger lesen