Der wahre Impact liegt im Sozialen

Der wahre Impact liegt im Sozialen

Trendkolumne Hotel und Technik: Digitalisierung

Unsere bekannte Welt ist im Umbruch. Ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Veränderungen bestimmen unseren Alltag. Klimawandel, Ressourcenknappheit, neue Mobilitätsformen bis hin zur digitalen Transformation stellen komplexe Fragen im Spannungsfeld zwischen gesellschaftli­chem Wandel und technischen Entwicklungen, die innerhalb einzelner Fachdisziplinen nicht mehr zu beantworten sind. Derartige Trends sind dabei Möglichkeitsräume, Tiefenströmungen des Wandels, wie beispielsweise auch Wetterberichte. Die Auseinandersetzung mit ihnen hilft uns, die Zukunft zu gestalten.

Können wir die eine oder andere Entwicklung noch verdrängen, so betrifft die digitale Transformation bereits heute jeden einzelnen von uns – im privaten wie im beruflichen.

Die digitale Transformation lässt ganze Berufsfelder verschwinden, aber auch neue entstehen. Startups, die sich mehr und mehr den Bereichen Architektur, Bauen und Immobilienwirtschaft widmen, machen es uns vor. Der grösste Betreiber im Übernachtungsgewerbe hat keine eigenen Häuser mehr. Wird unser Personal künftig durch Künstliche Intelligenz ersetzt? Entstehen virtuelle Alternativen zum realen Reisen?

Wie wir es auch betrachten, die digitale Transformation wird Planung, Bau und Betrieb unserer Häuser nachhaltig verändern, sie hat Auswirkungen auf jede Managementebene – vom Umgang mit dem eigenen Personal bis zum Umgang mit dem Gast – und wird die Identität unserer Häuser und Marken im Ganzen transformieren. Offenheit und Transparenz werden zu bestimmenden Leitthemen.

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BIM und die Digitalisierung der kompletten Planungs-, Bau- und Betriebsphase durch intelligente Datenmodelle schafft zugleich Effizienz- und Qualitätssteigerung als auch einen vereinfachten Einbezug der Stakeholder in die Planung. Parametrische Planung verknüpft Gestaltung mit Funktion und Grundanforderungen und erreicht so neben einer effizienteren Planung auch neue Gestaltungsmöglichkeiten.Augmented und Virtual Reality geben Bauherr und Betreiber bereits in frühen Planungsphasen Einblicke in ihre künftigen Gebäude,stellen so Produktkriterien an die Architektur. Die bereits in der Planung begonnene digitale Prozesskette bietet dann auch die Chance, Bau und  Betrieb einfacher und effizienter zu gestalten – im eigenen Haus aber auch bei Dienstleistern. So macht die Digitalisierung auch vor klassischen Handwerksbetrieben wie dem Malergewerbe nicht halt, was das Startup Weissmaler mit seiner Erfolgsgeschichte zu beweisen vermag. 

Unsere Gebäude entwickeln sich von passiven Hüllen zu adaptiven Organismen. Das Internet der Dinge in Form von Bauteilen mit RFID-Chips erleichtert zugleich Bauablauf und das spätere Facilitymanagement.Assistenzsysteme und Robotik ermöglichen mehr Qualität auf der Baustelle und im Hotelbetrieb – von Fassaden- bis zur Zimmerreinigung. 

Intelligente Gebäude- und Raumsysteme auf der Basis von Sensorik und dem Internet der Dinge connecten sich mit Wearables oder den smart Devices des Gastes und ermöglichen ein  individualisiertes Raumklima. Dies trägt dem Trend der Individualisierung Rechnung, der seit 2014 auf Platz 2 des Wertewandels des trendbüros steht. Digitalisierte Checkinprozesse wie beispielsweise im Hotel Scharni in Wien oder auch im Hotel Ruby Lilly in München führen zu effizienteren Prozessen und schaffen gleichzeitig einen 24 Stunden Service, denn der Gast der Zukunft erwartet erweiterte Services. New Work, Kreativarbeit, Veränderung von Unternehmensstrukturen und Arbeitsräumen, Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Berufsleben erweitern das Hotel in seiner Funktion als Beherbergungsstätte zum Co-Workingspace. 

Die digitale Transformation führt aber auch zu einer Interaktion mit dem Gast über den Besuch hinaus. Kollektive Intelligenz statt Einzelautorenschaft, Konnektivität im Sinne der Organisation der Menschheit in Netzwerken, E-Commerce, Internet der Dinge, Big Data, open social networks, eine immer grösser werdende kollektive Wissensmenge und ein somit immer leichterer Zugang zu Wissen führt dazu, dass sich der Gast nicht nur im Vorfeld umfassender informiert, sondern auch im Nachgang entsprechend bewertet. Genügte noch vor einigen Jahren die eigene Webseite als Visitenkarte im Netz sind heute erweiterte Inhalte und Instrumente erforderlich, den Gast zu gewinnen und auch zu binden. Communities im Sinne eines Empfehlungsmarketings werden immer wichtiger und sollten Folgen für das Marketing eines Hauses zeigen. Professor Peter Wippermann vom trendbüro Hamburg stellt hierzu fest: „Die vielfältigen Communities im Netz versprechen die Sehnsucht nach Zugehörigkeit mit jener nach Individualität zu verbinden. Was das Netz allein nicht zu stillen vermag, ist das Bedürfnis nach Verbindlichkeit, Langfristigkeit und Bedingungslosigkeit. Das schaffen nur persönlichen Beziehungen.“

Der wahre Impact der digitalen Transformation liegt also nicht allein in der Effizienzsteigerung aller Prozesse, sondern im Sozialen. Openness und Transparenz werden zu dominierenden Handlungsmaximen. Mitbestimmung und Kuratieren werden wichtiger. Stellen Datenwirtschaft, Buchungen und Bewertungen im Internet, das Internet als wichtigstes Schaufenster der Hotellerie, Meinungsbildung über soziale Plattformen, die Rückschlüsse für zukünftige Angebote und ein offener Umgang mit digitalen Technologien neue Erwartungen an die Hotelbetreiber, steht demgegenüber aber auch ein Gegentrend. Je virtueller unsere Welt wird, desto wichtiger wird der persönliche Service, das Reale, das Haptische, die Ruhe und der Mensch im Mittelpunkt. So kann es in einer zunehmend digitalisierten Welt heute auch gelingen, den Gegentrend Offline und Langsamkeit zu einer neuen  Positionierungsmöglichkeit zu nutzen.

Veröffentlicht Hotel und Technik 2017

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